SIE HABEN JEMANDEN DURCH SUIZID VERLOREN?
Eine nahestehende Person durch Suizid zu verlieren stellt eine außergewöhnliche und schmerzliche Belastung für Hinterbliebene dar. In vielen Fällen stehen die Hinterbliebenen zunächst unter Schock und bleiben ratlos zurück, da die gestorbene Person plötzlich aus dem Leben der Zurückgelassenen herausgerissen wird.
Bin ich schuld?
Es ist vollkommen normal, dass Sie Schuldgefühle haben oder sich Vorwürfe machen. Sie sind allerdings nicht an dem Tod Ihrer geliebten Person schuld! Einerseits ist es nicht einfach, Suizidalität zu erkennen, und andererseits gibt es auch keinen einzelnen Grund, warum eine Person sich das Leben genommen hat. Durch oft langwierige und intensive Trauerarbeit kann es den Hinterbliebenen aber gelingen, das Geschehene zu akzeptieren und Abschied von der gestorbenen Person zu nehmen.
Hilfe nach dem Suizid einer nahestehenden Person
Die Trauer nach dem Suizid einer nahestehenden Person wirkt meist schwer und dauert oft länger als andere Trauerprozesse. In der Phase der Trauer und auch darüber hinaus ist es wichtig, dass sich die Hinterbliebenen Unterstützung und Hilfe suchen. Stigma in der Gesellschaft und das Tabu, über Suizid zu sprechen, kann Hinterbliebene dabei hindern, sich Hilfe zu suchen. Es kann Hinterbliebenen helfen, wenn sie sich deswegen Unterstützung suchen: entweder bei professionellen Hilfseinrichtungen und/oder von Personen, denen sie vertrauen können und mit denen sie ihre Trauer und Gefühle teilen können.
Die ersten Tage nach dem Verlust
In den ersten Tagen nach dem Verlust einer nahestehenden Person durch Suizid stehen Hinterbliebene unter Schock und immenser Trauer. Darüber hinaus sind sie mit einigen langwierigen Abläufen und Prozessen konfrontiert, die geregelt werden müssen. Im Folgenden stellen wir Ihnen die häufigsten/wichtigsten Prozesse vor:
- Das Umfeld informieren: Für viele Hinterbliebene stellt sich in dieser Situation die Frage, wie sie das Umfeld informieren sollen. Auch wenn Suizid noch immer ein Tabuthema ist, ist es gut, die Todesursache nicht zu verschweigen, auch um Gerüchten vorzubeugen.
- Polizeiliche Ermittlungen: In Österreich wird bei einem berichteten Suizidfall immer anfangs von einem Fremdverschulden ausgegangen und deswegen mit polizeilichen Ermittlungen begonnen. Diese beinhalten unter anderem das Erfassen von persönlichen Daten der gestorbenen Person sowie das Beschlagnahmen von etwaig vorhandenen Abschiedsbriefen oder Tagebüchern. Bei einer unklaren Todesursache wird außerdem eine Obduktion durchgeführt.
- Das Begräbnis: Sie erhalten bei der Organisation des Begräbnisses Unterstützung vom Bestattungsunternehmen.
Erfahrungsberichte
Golli Marboe (57), Saskia Jungnikl-Gossy (41) und Bettina (57) haben eine nahestehende Person durch Suizid verloren.* In ihren Interviews sprechen sie über die damalige Situation, wie es ihnen nach dem Verlust ging und was sie gemacht haben, um diese Krise zu bewältigen.
*Namen werden genannt wie von den Betroffenen gewünscht.
Golli Marboe
Golli Marboe (57) hat seinen Sohn im Alter von 29 Jahren durch Suizid verloren. Er beschreibt die Zeit als überfordernd. „Da ist man einfach wie ein Käfer am Rücken. Man kann sich nicht bewegen, man kann nicht schlafen“, so Golli Marboe. In den ersten Tagen nach dem Suizid hat er begonnen Notizen an seinen verstorbenen Sohn zu schreiben. In der Zeit nach dem Verlust hatten er und seine Familie außerdem Unterstützung von einem Arzt und einem Seelsorger. Jedes Familienmitglied nahm auch Einzeltherapie in Anspruch.
Im Nachhinein würde er sich selber gerne sagen, dass es in Ordnung ist, den Psychotherapeuten zu wechseln, wenn die Kommunikation nicht funktioniert, und dass es wichtig ist, das zu kommunizieren. Golli Marboe rät anderen Hinterbliebenen vor allem die eigene Kränkung in liebevolle Erinnerung an die gestorbene Person umzuwandeln. Er denkt auch, dass Zorn an die gestorbene Person unangebracht ist. „Denn der Zorn hat ja sozusagen etwas mit mir selbst zu tun und nicht mit dem Anderen“, meint er. Er möchte anderen Hinterbliebenen außerdem Mut machen, ihre Kräfte neu zu entdecken, sodass sie sich in der Gesellschaft für Suizidprävention einsetzen können. „Die Verstorbene, der Verstorbene, die bleiben Menschen mit Würde“, unterstreicht er. Er warnt davor, nicht in den persönlichen Unterlagen der gestorbenen Person zu stöbern.
Saskia Jungnikl-Gossy
Saskia Jungnikl-Gossy (41) hat ihren Vater durch Suizid verloren. „Die ersten Tage waren für mich ein relativer Strudel an Emotionen, da war unglaublich viel in mir los“, berichtet sie. Sie erinnert sich, nur funktioniert zu haben. Nachdem sie das Gefühl hatte sich mit ihrer Trauer im Kreis zu drehen und nicht mehr weiterzukommen, hat sie sich Hilfe gesucht. Die vielen Gespräche mit Freund:innen, aber auch mit ihrer Familie, haben ihr dabei sehr geholfen. Sie erwähnt, dass man oft in der Sprachlosigkeit gefangen ist und dass es helfen kann, darüber zu reden. Ihr war außerdem wichtig, dass ihr ihre Gefühle wie Wut oder Schuldgefühle zugestanden wurden und dass sie dafür nicht verurteilt wurde. Sie hat außerdem im Zuge ihres Trauerprozesses nach Geschichten von anderen Leuten gesucht, denen ähnliches widerfahren ist. Von anderen Geschichten zu erfahren hat ihr sehr viel Frieden gegeben und ihr geholfen, sich weniger einsam zu fühlen.
Heute ist Saskia Jungnikl-Gossy stolz und froh, dass sie diese Zeit überstanden hat: „Ich bin sehr im Reinen mit Allem.“ Sie rät anderen Hinterbliebenen, über die eigenen Gefühle zu reden und Worte für ihre Gefühle zu finden. Außerdem betont sie, dass es Zeit braucht, um mit dieser Erfahrung klar zu kommen, und dass man Geduld mit sich selbst haben soll, es aber auch wichtig ist alle Gefühle zuzulassen.
Sie würde Personen in einer ähnlichen Situation empfehlen, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen und Geduld mit sich selbst zu haben, da der Prozess der Trauerarbeit ein längerer ist. Wichtig ist dabei, darauf zu achten, was einem persönlich gut tut. „Und sonst in sich hineinhören, was tut mir gut“, so Bettina.
Bettina
Bettina (57) hat ihren Sohn durch Suizid verloren. „Es war für mich wie ein Erdbeben. Es hat mir den Boden unter den Füßen weggezogen, als wäre ein Teil von mir mitgestorben“, erinnert sie sich. Sie berichtet, sich wie „in Watte gepackt“ gefühlt zu haben und wollte den Verlust zunächst nicht wahrhaben. Ein paar Tage nach dem Suizid war sie gemeinsam mit ihrer Familie bei einer Psychologin und Psychotherapeutin. Zusätzlich zur Therapie, der Stütze in der Familie und vielen Gesprächen haben Bettina Ausflüge in die Natur und Bewegung geholfen. Auch, dass sie wieder an Ihren Arbeitsplatz zurückgekehrt ist, hat ihr Struktur und ein Stück Normalität zurückgebracht.
Bettina berichtet, dass ihr Gespräche mit Menschen, die ähnliche Situationen erlebt haben, besonders geholfen haben. Sie hat auch für sich gelernt, dass es wichtig ist, die Trauer zuzulassen. „Aber man darf sie zwischendurch auch wegschieben und sich Leben gönnen, auch mal lachen und wieder fröhlich sein“, so Bettina.
Wenn Bettina heute an die Situation zurückdenkt, tut es ihr nach wie vor weh. Sie berichtet aber gleichzeitig, dass die Wunden kleiner werden und sie gerne und sehr positiv an ihren Sohn denkt. Durch den Todesfall hat sie gelernt, Dinge nicht mehr als selbstverständlich anzusehen und nimmt nun schöne Erlebnisse stärker wahr.
Sie würde Personen in einer ähnlichen Situation empfehlen, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen und Geduld mit sich selbst zu haben, da der Prozess der Trauerarbeit ein längerer ist. Wichtig ist dabei, darauf zu achten, was einem persönlich gut tut. „Und sonst in sich hineinhören, was tut mir gut“, so Bettina.
Einen Suizid im Umfeld zu erleben, kann auch bei den Hinterbliebenen selbst eine suizidale Krise auslösen. Sollten Sie selbst Gedanken an Suizid haben, dann suchen Sie sich bitte so schnell wie möglich professionelle Hilfe!
Nehmen Sie an unserer Studie teil!
Bitte nehmen Sie sich etwas Zeit. Sie helfen uns damit anderen zu helfen.
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